Was ist Fairtrade?

Fair für Faule geht für dich der Frage nach: Was ist eigentlich genau mit “Fairtrade” oder dem “fairem Handel” gemeint? Klar, jeder von uns kennt Produkte wie Fairtrade-Schokolade oder Kaffee und weiß, dass damit irgendwie den Kakao- oder Kaffeebauern geholfen werden soll. Aber was ist Fairtrade über diese vagen Ideen hinaus? Wie funktioniert der faire Handel? Wer kontrolliert ihn? Und woran erkennt man fair gehandelte Produkte eigentlich?

Zugegeben: Auch für mich war es zunächst gar nicht so einfach, das komplexe System verschiedener Organisationen zu überblicken.

Fair für Faule: Kater streicht die Wand
Fair für Faule: Was ist Fairtrade?

„Fairtrade“ (englisch für “fairer Handel”) ist eine globale Bewegung, die sich mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel zum Ziel gesetzt hat. Die Handelsbedingungen zwischen den Industrieländern und insbesondere den Ländern des Südens sollen so ausgestaltet werden, dass benachteiligten Produzenten und Produzentinnen, Arbeitern und Arbeiterinnen existenzsichernde Einkommen und soziale Rechte garantiert werden können.

Wer sind die Fairtrade-Akteure?

Die Fairtrade-Bewegung besteht zum einen aus verschiedenen Fair-Handels-Organisationen. Diese bestimmen, zertifizieren und überwachen die internationalen Standards für den fairen Handel. Gleichzeitig engagieren sich weltweit immer mehr Menschen für mehr Gerechtigkeit im Welthandel – nicht selten ehrenamtlich.

So finden sich in Deutschland um die 100.000 Engagierte in Fair-Handels-Gruppen, Weltläden, Kirchengemeinden, Jugendgruppen, sogenannten Fairtrade-Towns oder Fairtrade-Schools. Aber auch Unternehmen verpflichten sich zunehmend dem fairen Handel. Beispiel Deutsche Bahn: Hier hat eine Bürgerpetition bewirkt, dass in den Zügen nur noch Fairtrade-Kaffee ausgeschenkt wird!

Bildung und Politik

Dabei bleibt es nicht beim Verkauf fairer Produkte. Eng verknüpft damit ist auch die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit: Menschen über Missstände aufzuklären und dazu ermutigen, sich für einen verantwortungsvollen Konsum zu entscheiden.

Von Beginn an, seit den frühen 1970er Jahren, versucht die Fair-Handels-Bewegung politisch etwas zu bewegen. Aktuelles Beispiel: das Lieferkettengesetz (mehr dazu unten). Denn ohne die Wirtschaft mit einzubinden und die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ändern, werden alle Bemühungen um eine gerechtere Handelspolitik nicht umfassend und nachhaltig erfolgreich sein.

“Der Faire Handel beruht auf Produktions- und Handelsmethoden, die Mensch und Umwelt vor den finanziellen Profit stellen.”

Die internationale Charta des Fairen Handels

Was sind die Ziele von Fairtrade?

  • Faire Löhne/gerechte Preise: Die Rohstoffpreise für Lebensmittel unterliegen vielfach den schwankenden Preisen im freien Weltmarkt. Am Anfang der Lieferkette bleibt durch den Preisdruck den Kleinbauernfamilien oft kaum noch genug zum Leben. Daher ist das Hauptziel des fairen Handels, die Handelsbeziehungen gerechter zu gestalten, und zwar durch einen Mindestpreis. Das soll den Kleinbauernfamilien und Beschäftigten ein verlässliches Einkommen garantieren, selbst wenn die Preise auf dem Weltmarkt darunter liegen. Außerdem wird eine Prämie für gemeinschaftliche Projekte ausgezahlt.

  • Abschaffung von Kinderarbeit: Ob auf den Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste, Baumwollplantagen in Indien oder den Goldminen in Burkina Faso: Besonders in Afrika und Asien schuften immer noch Millionen Kinder teils unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen für uns. Kinderarbeit ist in Fairtrade-zeritifizierten Plantagen und Betrieben verboten!

  • Menschenwürdige Arbeitsbedingungen: Beschäftigte in Fairtrade-Betrieben haben geregelte Arbeitsbedingungen. Sie dürfen sich in demokratischen Arbeitsgemeinschaften und Gewerkschaften organisieren. Es herrscht Diskriminierungsverbot.

  • Nachverfolgbare Lieferketten: Die Handelsbeziehungen sollen nachvollziehbar und transparent sein. Über die Bewegung der Waren und des Geldflusses muss Nachweis erbracht werden.

  • Nachhaltige Bewirtschaftung und Verbot zumindest der gefährlichsten Pestizide und von gentechnisch verändertem Saatgut. Bio-Anbau wird durch eine Prämie gefördert (Vorsicht! Fairtrade bedeutet aber nicht automatisch gleich bio!)
Banane mit Fairtrade-Siegel
Auch wir Verbraucher sind gefragt. Beispiel Bananen: Nachdem der Discounter Lidl 2018 angekündigt hatte, vollständig auf fair gehandelte Bananen umzusteigen, nahm er mangels Nachfrage 2019 wieder konventionelle Bananen mit ins Programm.

Wie funktioniert das Fairtrade-System?

“Das” Fairtrade-System gibt es nicht. Was zunächst komplex erscheint, lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln: Mehrere Organisationen, Unternehmen und Zertifizierungsstellen bemühen sich – teils unabhängig voneinander – um gerechtere Handelsbedingungen.

Die WTFO

Die größte Organisation ist die World Fair Trade Organisation. Als weltweites Netzwerk bringt die WFTO Vertreter aller Bereiche der Lieferketten aus 70 Ländern zusammen. Beteiligt sind regionale und nationale Fairtrade-Netzwerke, Export-Gesellschaften, Importeure, Finanzinstitutionen der Fairtrade-Bewegung, aber auch Produzenten-Vereinigungen und -Kooperativen. Die WFTO zeichnet ganze Unternehmen mit ihrem Fairtrade-Siegel aus.

Weitere internationale Fairtrade-Organisationen sind NEWS (Network of European Worldshops) und EFTA (European Fair Trade Association) sowie (zusammen mit der WFTO eines der zwei größten Netzwerke) Fairtrade International.

FLO, Transfair und FLOCERT

Fairtrade International (eigentlich FLOFairtrade Labelling Organization) bildet wiederum den Dachverband von drei Produzenten-Netzwerken und 25 nationalen Fairtrade-Organisationen. Die FLO legt die Fairtrade-Standards fest. In Deutschland vergibt Fairtrade Deutschland (eigentlich Transfair e. V.) für die FLO das bekannte “Fairtrade”-Siegel für Produkte. Fazit: Während die WFTO als Monitoringsystem ganze Organisationen und Unternehmen überprüft, die ausschließlich mit Fairtrade-Produkten handeln, kümmert sich Fairtrade International um die Zertifizierung einzelner Produkte. Als weltweite Zertifizierungsstelle fungiert dabei die unabhängig agierende FLOCERT in Bonn.

Neben dem Fairtrade-Siegel finden sich zahlreiche weitere Siegel für fair gehandelte Produkte wie Lebensmittel, Kunsthandwerk und Kleidung.

Direkter Handel

Darüber hinaus gibt es auch Initiativen des direkten Handels – ohne den Umweg über den Weltmarkt und ohne irgendein Fairtrade-Siegel: Hier verbinden sich kleine Anbieter direkt mit kleinbäuerlichen Betrieben und exportieren gewissermaßen “eins zu eins”. Dadurch ersparen sie sich die Preisaufschläge entlang der Lieferketten. Dies kommt wiederum den Kleinbauern zugute.

Fairafric Schokolade

Das Social Business Fairafric produziert und verpackt seine Schokolade komplett in Ghana! So bleibt mehr vom Gewinn im Ursprungsland.

“Fairchain”: Alle Etappen der Produktionskette sind fair.

Bildquelle: Fairafric.

Welche Produkte gibt es fair zu kaufen und woran erkenne ich sie?

Lebensmittel, Blumen, Kleidung und Baumwoll-Textilien, Accessoires, Kunsthandwerk und Haushaltswaren, aber auch Mobiltelefone: Fairtrade-Produkte finden sich unter nahezu allen Waren und Erzeugnissen, die Rohstoffe aus Entwicklungs- und Schwellenländern enthalten. Der Verkauf fair gehandelter Waren boomt. Menschen hierzulande sind zunehmend bereit, deutlich mehr für ethisch einwandfreie Waren auszugeben. Daher wurden für zahlreiche Marken inzwischen Nachhaltigkeitssiegel kreiert. Bei diesen Siegeln kannst du sicher sein, ein Fairtrade-zertifiziertes Produkt oder fair produzierte Kleidung zu kaufen:

Das Fairtrade-Siegel
​ Das Fairtrade-Siegel
Siegel der WFTO
International: Das Siegel der WFTO
Fair-Plus-Siegel der Gepa
Die Fair-Plus-Kennzeichnung der Gepa
Das Fairtrade-Textilsiegel IVN Zertifiziert Best
Das Textilsiegel IVN Zertifiziert Best
Ökologisch und sozial: Das GOTS-Textilsiegel
Das GOTS-Siegel
Das Textilsiegel der Fair Wear Foundation
Siegel der Fair Wear Foundation

Weitere wichtige Fairtrade-Siegel und Siegel für faire Kleidung findest du in dieser Übersicht. Registriere dich hier für den “Fair für Faule”-Newsletter und erhalte in Kürze eine Liste über die Produktpalette im fairen Handel.

Was hat der faire Handel bereits bewirkt?

In Deutschland hat die Fairtrade-Bewegung in den vergangenen Jahren einen großen Aufschwung erlebt – besonders im Lebensmittelbereich. Transfair e. V. spricht im Jahresbericht 2019/20 unter anderem von

  • 26 % mehr Verkaufsvolumen 2019 für Fairtrade-Produkte in Deutschland
  • 30 Millionen Euro ausgeschüttete Prämien 2019 für Gemeinschaftsprojekte

Bei all diesen Erfolgen ist der Anteil fair gehandelter Lebensmittel und Kleidung noch viel zu gering!

Kaffeebohnen

Beispiel Kaffee: Kaffee hatte 2019 mit 32,5 Prozent den größten Anteil an verkauften Fairtrade-Produkten. Zum Vergleich: Kleidung und Textilien machten nur 10,6 % aus.

Dennoch stammen nur 6,7 von hundert Tassen Kaffee in Deutschland aus fairem Handel.

Auf dem Weltmarkt werden – wie bei vielen Grundnahrungsmitteln auch – die Kaffeepreise an der Börse gehandelt. 2018/19 konnten 60 Prozent der Produzenten durch die drastisch gesunkenen Preise auf dem freien Weltmarkt nicht einmal mehr für ihre Produktionskosten aufkommen. Eine Entwicklung wie diese hat Armut, Mangelernährung und letztlich auch Migration zur Folge. Kaffeebäuerinnen und Kaffeebauern erhielten stattdessen kontinuierlich ihren Mindestpreis. So konnten sie während der Kaffeekrise wenigstens ihre Produktionskosten decken.

Warum gibt es Kritik am Fairtrade-“System”?

Vielleicht kennst du das auch: In Gesprächen höre ich oft den Einwand: “In den Keksen mit dem Fairtrade-Siegel ist doch eh nur 20 Prozent fairer Anteil drin”, “Das ist doch auch nur Betrug”. Oder: “Ich habe da kürzlich einen Bericht über die “Fairtrade-Lüge” gesehen.” Und so weiter.

Der Mengenausgleich

Kritiker des fairen Handels beziehen sich vor allem auf zwei Dinge: den sogenannten Mengenausgleich und die Mischprodukte. Beim Mengenausgleich werden Fairtrade-Rohstoffe wie Zucker, Kakao, Fruchtsaft oder Tee bei der Verarbeitung mit konventionell angebauten Rohstoffen vermischt. Es kann also tatsächlich sein, dass in einer Packung Orangensaft mit dem Fairtrade-Siegel überhaupt keine Orangen eines Fairtrade-Betriebs verarbeitet wurden.

Aber: Kleinbauern könnten ohne dieses Vorgehen ihre kleinen Erntemengen nicht über das Fairtrade-Vertriebssystem verkaufen. Aber genau Kleinbäuerinnen und Kleinbauern möchte der faire Handel ja besonders unterstützen. Produkte mit Mengenausgleich werden immer als solche deklariert.

Die Mischprodukte

Mischprodukte sind verarbeitete Lebensmittel, die aus mehreren Zutaten bestehen. Tatsächlich sind dabei lediglich 20 Prozent Fairtrade-Anteil verpflichtend.

Aber: Jede Zutat, die unter Fairtrade-Bedingungen verfügbar ist, muss in einem Mischprodukt auch fair gehandelt verwendet werden! Und: Die meisten Mischprodukte enthalten weit über 50 Prozent faire Zutaten. Nur bei sehr wenigen Produkten liegt laut Fairtrade Deutschland der Fairtrade-Anteil zwischen 20 und 50 Prozent. Wer ein nahezu rundum faires Produkt will, wird bei den Fairhandelunternehmen fündig. So sind bei der Gepa auch Mischprodukte bis zu 100 Prozent aus fairem Handel (Schokolade zum Beispiel enthält faire Milch).

Neu: Fairtrade-Siegel mit Pfeil

Ein neues Fairtrade-Siegel schafft seit diesem Jahr mehr Transparenz: Mischprodukte und Lebensmittel mit Mengenausgleich tragen zukünftig das Fairtrade-Siegel mit Pfeil. So ist für den Verbraucher klar: Wo das alte Fairtrade-Siegel angebracht ist, ist auch zu 100 % Fairtrade enthalten. Mehr zu den Fairtrade-Siegeln erfährst du in dieser Übersicht.

Studien zur Wirksamkeit des Fairen Handels

Kritik wurde auch im Rahmen der sogenannten SOAS-Studie der University of London geäußert und verschiedentlich von den Medien wie Spiegel Online, taz oder dem Youtuber “MrWissen2go” aufgegriffen. Die Vorwürfe: Die Lizenzen für die Zertifizierung seien zu teuer. Den Kleinbauern im untersuchten Fairtrade-Blumenbetrieb in Kenia gehe es sogar schlechter als solchen im konventionellen Blumenanbau. Transfair e. V. nimmt die Kritik an, dass Fairtrade bislang immer noch nicht genug erreicht hat. Die Organisation weist hingegen den Vorwurf vermeintlich teurer Zertifizierung zurück (sie machten nur einen Bruchteil der Prämien aus) und weist auf methodische Fehler der Studie hin. Gleichzeitig liegen zahlreiche Studien vor, die beweisen, dass und wie das Fairtrade-Prinzip wirkt.

Wie können wir den fairen Handel unterstützen? Persönliches Fazit und Aufruf

Was bleibt nun als Fazit auf die wichtigsten Antworten auf die Frage “Was ist Fairtrade”?

Ich persönlich würde es so formulieren: Fairtrade ist ein Bemühen darum, den weltweiten Handel gerechter zu gestalten und den Menschen, die für unsere Importprodukte arbeiten, einen gerechten oder zumindest existenzsichernden Lohn zu sichern.

Gerade “Luxuslebensmittel” wie Kaffee oder Schokolade sind hierzulande spottbillig – viel zu billig – zu haben. Auf der Südhalbkugel der Erde schuften dafür Menschen – oft Kinder – , die von ihrer Arbeit nicht einmal leben können. Dieses Ungleichgewicht ist mehr als ein Missstand.

Aus diesem Grund möchte ich jeden dazu ermutigen, sich über den fairen Handel zu informieren, Fairtrade-Produkte zu kaufen und sich an Kampagnen zu beteiligen, die diesen Missständen entgegenwirken möchten!

Du kannst zum Beispiel ein “faires Frühstück” organisieren. Lade deine Freunde, Kollegen oder die Familie zu einem Brunch mit möglichst vielen Zutaten aus dem fairen Handel ein. Wo du viele faire Rezeptideen finden kannst, habe ich in diesem Beitrag zusammengestellt.

Lieferkettengesetz

Für die “Initiative Lieferkettengesetz” haben über 222.222 Personen in Deutschland eine Petition für den Deutschen Bundestag eingereicht. Trotz der Unterstützung von Entwicklungshilfeminister Müller und anderen Politikern wird das Gesetz, das die Unternehmen in die Pflicht nimmt, entlang ihrer Lieferketten für Menschenrechte und angemessene Bezahlung zu sorgen, noch immer seitens der Wirtschaft und des Bundeswirtschaftsministers blockiert.

Unterschreibe hier eine Protestaktion für die “Initiative Lieferkettengesetz” an den Wirtschaftsminister!


Quellen:

Internationale Charta des Fairen Handels
Forum Fairer Handel: Datenblatt Fairer Handel 2020
Fairtrade Deutschland: Jahres- und Wirkungsbericht
Fairtrade Deutschland: Fairtrade-Standards
Bericht der ILO zur Kinderarbeit (2017)
Unicef-Bericht zur Kinderarbeit (2020)
Statista: “Kinderarbeit betrifft jedes 5. Kind in Afrika” (2020)

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