Corona: Fairer Handel wirkt!

Und: Warum Kunsthandwerkerinnen in Cusco seit einem Jahr nichts mehr verkaufen

Kann fairer Handel dazu beitragen, die Not der von Corona gebeutelten armen Länder zu lindern? Vor einigen Tagen erreichte mich der Spendenaufruf einer Kooperative für traditionelle Handwerkskunst aus der Andenstadt Cusco. Am Land Peru zeigt sich beispielhaft, wie gnadenlos die Corona-Pandemie Menschen besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern zu schaffen macht.

Das habe ich zum Anlass genommen, mich näher mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf arme Länder zu befassen. In diesem Blogpost erfährst du zudem, wie der faire Handel seine Produzenten besonders auch in diesen Zeiten unterstützt. Schließlich erhältst du 3 Tipps, auf welche Weise du – mehr oder weniger konkret – selbst helfen kannst.

Inhalt:

Lockdown: Keine Touristen – “null” Einkommen
Pandemie in armen Ländern am Beispiel Perus
Angst vor Verlust der Existenzgrundlage
Arme werden ärmer
So unterstützen Fairhandelspartner ihre Produzent:innen
Fehlende Fairtrade-Zertifizierung – keine Hilfe
Du möchtest helfen? Das kannst du tun


Lockdown: Keine Touristen –  “null” Einkommen

Gründer des Fairtrade Stores Cusco

Rafael Ortiz und seine Mutter haben mit „The Fair Trade Store Cusco“ eine Cooperative für Weberinnen gegründet, um ihnen und ihren Familien rund um Cusco ein besseres Leben zu ermöglichen. Der winzige Laden verkauft normalerweise Mützen, Handschuhe aus Alpaka-Wolle, außerdem wunderschöne, kunstvoll gewebte Taschen, Kissen und vieles mehr.

In der Vergangenheit kauften Zwischenhändler ihm zufolge den noch nicht organisiserten Gemeinschaften ihre aufwendig hergestellten Artefakte viel zu billig ab. Inzwischen organisiert der “Fair Trade Store Cusco” den Verkauf für sie zu angemessenen Preisen.

Färben mit Naturfarben

80 Prozent der Erlöse gehen laut Herrn Ortiz direkt an die Weberinnen.

Die Frauen arbeiten noch so traditionell, wie es über Generationen seit der Inka-Zeit weitergegeben wurde, unter anderem mit Pflanzenfarben.

Nun seien, wie Herr Ortiz verzweifelt schreibt, zahlreiche Mitglieder der Gemeinschaften krank und etliche verstorben. Waisenkinder seien zu versorgen. Seit einem Jahr werde nichts mehr verkauft. Durch den Corona-Tod vieler Kunsthandwerkerinnen sehe auch die Zukunft düster aus. Kurz gesagt: Die Kooperative ist laut Herrn Ortiz komplett auf Spenden angewiesen.

In der 3.400 m hoch gelegenen Inka-Stadt Cusco wimmelt es normalerweise von Touristen und Backpackern. Ihnen dient die Weltkulturerbestätte als Ausgangspunkt für einen Besuch in der berühmten Ruinenstadt Machu Picchu. Innerhalb eines Jahres ist hier – wie auch der internationale Tourismus bis auf wenige Ausnahmen – zum Erliegen gekommen. Der Tourismus gehört zu Cuscos Haupteinnahmequellen. In Peru ist geplant, ihn schrittweise und eingeschränkt wieder zuzulassen.

Pandemie in armen Ländern am Beispiel Perus

Peru-Experte Quincey Stemmler beschreibt in seinem Artikel “Das peruanische Paradox” die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Sommer 2020. Hier die wichtigsten Punkte:

  • Das öffentliche Gesundheitssystem galt bereits zuvor als eines der schlechtesten in Südamerika.
  • Die Arbeitslosigkeit steigt.
  • Die sozialen Sicherungssysteme sind prekär.
  • Es herrscht große soziale Ungleichheit.
  • Social distancing ist schwierig bis unmöglich: Mehrgenerationenwohnen ist normal in Peru, Vorratshaltung mangels Kühlschränke schwierig, überfüllte Verkehrsmittel.
  • Nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung besitzt einen eigenem Wasseranschluss.
  • Der Tourismus in Peru wurde durch den Lockdown zum Erliegen gebracht.
  • 70 % der Menschen sind informell beschäftigt, das heißt arbeiten ohne Arbeitsvertrag und somit auch ohne Absicherung. Sie sind die eigentlichen Verlierer der Krise.
  • Positiv´: Bedürftige Familien erhielten einen staatlichen Bonus. Wegen fehlender Bankkonten war der Zugang dazu teilweise schwierig. Auch Nicht-Peruaner wie zum Beispiel Flüchtlinge blieben davon ausgeschlossen.
  • Viele Menschen leben dennoch am Existenzminimum.

“Die Corona-Krise wird zum Katalysator für sämtliche strukturelle Probleme”


Quincey Stemmler, “Das Peruanische Paradox”, Amerika 21

Das “Ärzteblatt” beleuchtet die prekäre Lage der gesundheitlichen Versorgung in Peru:

 „Die zweite Welle der Coronapandemie hat Peru schwer getroffen. Seit Beginn der Coronakrise infizierten sich rund 1,2 Millionen der insgesamt 33 Millionen Einwohner, mehr als 42.000 Menschen starben nach einer Infektion. Die Krankenhäuser sind überfüllt, zudem ist der Sauerstoff zur Behandlung der COVID-19-Patienten knapp.“

Über die schwierige Corona-Lage in Peru berichteten auch die Tagesschau vom 30.07.2020 sowie aktuell eine in Lima lebende Korrespondentin der Berliner Zeitung (02.02.2021, Bezahlinhalt).

Angst vor Verlust der Existenzgrundlage

Auf Lateinamerika bezogen befürchten die Vereinten Nationen, dass die Wirtschaft durch die Covid-19-Pandemie um 20 Jahre zurückgeworfen werden könnte (Factsheet Corona, Transfair e. V.). Weltweit ist vielerorts die Angst vor Covid 19 geringer als die Angst, die eigene Existenzgrundlage zu verlieren.

Arme werden ärmer

In Ländern ohne soziale Absicherung oder nationale Hilfsangebote sind Menschen durch Lockdowns und teils zusammengebrochene Versorgungsketten ihrer Einkommensquellen beraubt. Auch haben sie oftmals keinen Zugang zu Hilfskrediten. Den Gesundheitssystemen mangelt es an staatlicher Grundversorgung bzw. ausreichenden Strukturen.

Zu der Corona-Pandemie kamen 2020 Katastrophen wie die Hurricanes in Honduras (Eta und Iota, November 2020), Super-Zyklon Amphan in Indien und Bangladesh (Mai 2929) oder Probleme wie erneut sinkende Rohstoffpreise für Kaffee und Kakao auf dem Weltmarkt hinzu. In Ländern wie Peru oder Indien fiel der erste Lockdown im Frühjahr 2020 genau in die Erntezeit. Fehlende Wanderarbeiter und Schul-Lockdown steigerten vielerorts das Risiko für Kinderarbeit.

Corona-Weltkugel
Corona umspannt die Welt

So unterstützen die Fairhandelspartner ihre Produzent:innen

Die Fairtrade-Organisationen verschiedener Länder haben sich von Anfang an darum bemüht, ihre Handelspartner, Produzenten und Produzentinnen nicht im Stich zu lassen. Dies sind ihre Maßnahmen:

  • Fairtrade-International-Hilfsfonds von 3 Millionen Euro für Soforthilfemaßnahmen (Hygienemittel, medizinische Ausstattung, Aufklärungskampagnen) und mittelfristige Entwicklungsprojekte (zum Beispiel neue Technologien)
  • Dieser Hilfsfonds wurde durch BMZ/GIZ um 8 Millionen Euro und durch weitere Geberorganisationen um 2 Millionen Euro aufgestockt.
  • Die Prämiengelder, die zuvor für gemeinschaftliche Projekte verwendet wurden, dürfen nun flexibel eingesetzt werden, etwa um Lohneinbußen auszugleichen.
  • Digitale Beratungsangebote, unkomplizierte digitales Beschwerdehotline über Whatsapp
  • Aufklärungskampagnen (Radio, Gemeindezentren) zu Kinderarbeit, Zusammenarbeit mit Kinderschutzorganisationen

Auch einzelne Fairhandelsgesellschaften übernehmen Verantwortung. Beispiel: Gepa

Fair-Plus-Siegel der Gepa
  • keine einseitigen Stornos von Aufträgen
  • keine Vertragsstrafen bei Lieferverzögerungen
  • Vorfinanzierung auch bei verzögerter Lieferung
  • Umwidmung des Handelspartnerfonds für Corona-Maßnahmen (bislang unter anderem für Schulung und Beratung eingesetzt)
  • gemeinsame Spendenaktion mit Misereor: jeder gespendeter Euro wird um einen Euro ergänzt

Weltläden versuchen, mit kreativen Konzepten den Absatz fairer Produkte zu sichern

Auch die Weltläden als eigentliche Basis und Pioniere der Fairhandelsbewegung bemühen sich trotz widriger Umstände, ihre Arbeit auch während eines Lockdowns fortzuführen. Viele von ihnen haben kreative Konzepte entwickelt – von Lieferservice über Kiosk-Verkauf aus dem Fenster bis zur Verlagerung des Verkaufs auf die Wochenmärkte. Dieser zusätzliche Mehraufwand ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sich die Weltläden vielerorts in rein ehrenamtlichen Händen befinden.

„Gerade kleinere Produzenten haben nur in Weltläden eine Chance.“

Steffen Weber vom Weltladen-Dachverband

Fehlende Fairtrade-Zertifizierung – keine Hilfe

So ermutigend die Hilfsmaßnahmen der Fairhandels-Organisationen auch sind: Gleichzeitig machen sie bewusst, dass der Großteil der Menschen in Entwicklungs- oder Schwellenländern kaum oder nur wenig Hilfe von staatlicher oder unternehmerischer Seite erwarten kann und auch durch das Raster von Hilfsorganisationen fällt.

Die verzweifelte Lage der Familien aus der Kooperative “The Fair Trade Store Cusco” ist nur ein Beispiel von vielen. Denn die kleine Verkaufsgemeinschaft ist nicht Fairtrade zertifiziert.

Siegel der WFTO

Auf meine Nachfrage berichtete mir Herr Ortiz, dass er sich bereits 2015 vergeblich um eine Mitgliedschaft in der WFTO (World Fair Trade Organisation) bemüht habe. Zum einen sei seine Kooperative zu klein und erwirtschafte zu wenig Umsatz. Sie habe aber Aussicht auf offizielle Zertifizierung, sobald sich regelmäßige Abnehmer ihrer Produkte finden würden.

Du möchtest helfen? Das kannst du tun

1. Kaufe fair!
Kater denkt: alles fair?

Denn Fairtrade wirkt: Auch und gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie werden die Fairtrade-Produzenten und -Produzentinnen nicht im Stich gelassen. Falls du einen Weltladen in der Nähe hast, kaufe am besten dort. In einigen (kirchlich organisierten) Läden wird nicht nur der faire Handel unterstützt, sondern der Gewinn auch an Hilfsprojekte gespendet.

Aber auch online kannst du fair gehandelte Lebensmittel, Wohn- und Dekoartikel sowie Textilien kaufen.

2. Hilf dem “Fair Trade Store Cusco”
Weberin: The Fairtrade Store Cusco

Spenden: Über Gofundme kannst du direkt für die Kooperative spenden. Auch ein kleiner Betrag hilft!

Teilen: Es hilft auch, “The Fair Trade Store Cusco” auf Facebook und Instagram zu abonnieren und seine Beiträge zu teilen. Auf seinem Youtube-Kanal erfährst du auch mehr über die traditionelle Produktion sowie die Unterstützung von Kindern und Familien.

Kaufen:

Der Katalog zeigt eine Auswahl an Artefakten des Fairt Trade Stores Cusco: wunderschöne Webkunst in der Inka-Tradition sowie kuschelige Mützen, Schals und Handschuhe aus Schafs- und Alpakawolle. Melde dich gerne bei fairfuerfaule@gmail.com, wenn du an einer Sammelbestellung interessiert bist.

3. Unterstütze die Spendenaktion von Gepa (über Misereor)
Gepa-Logo

Die Spenden gehen direkt an eines der drei Gepa-Projekte:
– TARA (Indien)
– PFTC (Philippinen)
– Bukonzo (Uganda)
Mehr Infos und das Spendenformular gibt es hier.

Quellen:

Fairtrade Deutschland: Factsheet Corona
Fairtrade Deutschland: Spotlight Honduras: Fairtrade hilft einem gebeutelten Land
Fairtrade Deutschland: Faires Handeln in Zeiten von Corona
Fairtrade Deutschland: Fairtrade startet zwei Corona-Hilfsfonds
BMZ: 13 Millionen Soforthilfe für den Fairen Handel in Zeiten von Corona
Gepa.de: Gepa setzt Handelspartnerfonds gezielt für Corona-Initiativen ein
RND: Fairtrade in Corona-Krise: Handel erwartet starken Umsatzrückgang
MOZ: Weltladen in Storkow leidet unter der Corona-Krise
Augsburger Allgemeine: Corona-Krise erfasst Weltläden und ihre Lieferanten
Schwäbische Allgemeine: Fair-Trade-Produzenten wegen Corona in großer Not
Peru-Vision.com: Acht Monate Lockdown in Peru gehen zuende
America21: Das peruanische Paradox

Hörempfehlung:

Podcast-Folge “Corona: Fair handeln in Zeiten der Corona-Pandemie” von Fairtrade Deutschland (02.05.2020).

Bildnachweise und Copyright: Pixabay, The Fair Trade Store Cusco, Gepa.


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